Gastbeitrag: Zell- und Gentherapien sind ein neuartiger Ansatz der modernen Medizin, bei dem das Medikament häufig (teilweise stark) personalisiert wird. Das stellt besondere Anforderungen an die unterstützenden IT-Systeme, beispielsweise für Supply-Chain-Management. Moderne Technologien wie Edge- und Confidential Computing sowie Blockchains können dabei helfen, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Von Andreas Göbel.
Foto: HypertrustDer Autor Andreas Göbel ist Geschäftsführer von Hypertrust Patient Data CarePersonalisierte Zell- und Gentherapien bringen Patientinnen und Patienten mit schweren und seltenen Krankheiten Hoffnung auf Heilung. Dabei kommen individuell auf einen Menschen zugeschnittene Medikamente zum Einsatz.
Foto: HypertrustIm Unterschied zur herkömmlichen Pharma-Lieferkette gibt es bei Zell- und Gentherapien viele neue BeteiligteKomplexe Supply-Chain-Prozesse
Diese Art von Behandlungen funktionieren nur mit viel Abstimmungsaufwand zwischen den verschiedenen Beteiligten, vom Krankenhaus bis zum Hersteller des Medikaments. Zusätzlich stellt es neue Anforderungen an Lieferketten von Pharma-Unternehmen. Im Detail geht es hier um einen Paradigmenwechsel vom herkömmlichen Make-to-Stock- zu einem aufwendigeren Make-to-Order-Modell mit kleinen Losgrößen. Der komplexe Supply-Chain-Prozess bei Zell- und Gentherapien startet also früher, mit der Bestellung eines personalisierten Medikaments durch einen Arzt oder einer Ärztin im Krankenhaus. Anschließend müssen verschiedene Akteure entlang der Lieferkette – vom Krankenhaus über Transportdienstleister bis zu Laboren und Auftragsfertigern – aufeinander abgestimmt agieren.
Schon bei den derzeit laufenden klinischen Studien kommen dafür spezielle IT-Systeme, sogenannte Orchestrierungssysteme, zum Einsatz. Sie sorgen für eine möglichst reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Parteien entlang der Lieferkette, und sie stellen Datenschutz und andere Compliance-Anforderungen sicher.
Foto: HypertrustDer Prozess einer personalisierten Therapie mit seinen vielen Einzelschritten am Beispiel autologer ZelltherapienAnforderungen an ein Orchestrierungssystem
Im Rahmen personalisierter Zell- und Gentherapien lassen sich die verschiedenen Anforderungen an ein Orchestrierungssystem in drei Cluster gruppieren: Workflow-Anforderungen, Compliance-Vorgaben, und Anforderungen, die sich aus der unternehmensübergreifenden Nutzung ergeben.
- Workflow-Anforderungen: Ein Orchestrierungssystem dirigiert die Aktionen der verschiedenen Partner, vom Krankenhaus bis zum Hersteller. Das bedeutet konkret: Wenn feststeht, wann das Zellmaterial entnommen wird, berechnet das System die Termine für Transport und Herstellung nach hinterlegten Workflows und bucht entsprechende Ressourcen. Beispielsweise werden Reinraum und Personal für die Herstellung des Medikaments für den Termin gebucht, an dem das Zellmaterial beim Hersteller eintrifft.
- Beispiel für Compliance-Vorgaben: Zu den rechtlichen Vorgaben gehört der schon erwähnte Datenschutz: Alle Beteiligten dürfen nur die Informationen sehen, die für ihre eigene Arbeit notwendig ist. Daneben muss ein Orchestrierungssystem Compliance-Anforderungen an ein personalisiertes Medikament erfüllen, zum Beispiel die manipulationssichere Nachvollziehbarkeit der 1:1-Beziehung zwischen Patient und Medikament.
- Auswahl technischer Voraussetzungen: Damit Ansprechpartner in den verschiedenen Organisationen mit dem System arbeiten können, ist ein verteiltes Deployment von Vorteil. Die Hypertrust X-Chain Plattform erreicht das zum Beispiel über vertrauenswürdige, verteilte installierte Instanzen. Um möglichst viele Schritte automatisiert abzuwickeln, ist das System zudem in die Geschäftsanwendungen der verschiedenen Prozessbeteiligten zu integrieren, etwa in ERP-Systeme oder Produktionsmanagement-Anwendungen.
Mehr als 1.400 personalisierte Zell- und Gentherapien sind derzeit in den verschiedenen Phasen der klinischen Studien. Sie alle brauchen IT-Supportsysteme zur Orchestrierung, die kleinteilige Terminabstimmungen automatisieren und Fehlerquellen durch manuelles Arbeiten reduzieren. Das ist eine Voraussetzung, damit möglichst viele Menschen in Zukunft von den neuen Therapiemöglichkeiten profitieren.
Andreas Göbel ist Geschäftsführer von Hypertrust Patient Data Care, einem Spin-off der Camelot Gruppe. Hypertrust Patient Data Care entwickelt patientenorientierte Geschäftsanwendungen für die Pharmaindustrie und das Gesundheitswesen.